Vegane Mittagsverpflegung in Kita und Schule
Auf den Internet-Seiten FitKid-Aktion und Schule+Essen=Note 1 gibt die DGE Hilfestellung und Tipps zur veganen Mittagsverpflegung in Kita und Schule. Materialien für Eltern, für im Catering Beschäftigte oder für pädagogisches Personal ergänzen das Angebot.
Wo die Herausforderungen einer veganen Mittagsverpflegung liegen, erzählen Dr. Jasmin Geppert und Alessa Klug in diesem Interview.
Alessa Klug (M. Sc.)
... arbeitet als Referentin im DGE-Referat Wissenschaft an Stellungnahmen und Positionspapieren. Sie ist eine der Erstautorinnen der Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung.
Alessa Klug studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Bachelor Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften sowie im Master Humanernährung.
DGE-Blog:
Frau Klug, welche Vorteile bringt eine vegane Ernährungsweise mit sich?
Alessa Klug:
Eine vegane Ernährung ist insbesondere im Vergleich zu der derzeit in Deutschland üblichen Ernährungsweise, die einen hohen Anteil tierischer Lebensmittel beinhaltet, äußerst umweltfreundlich und kann unter Berücksichtigung einiger wichtiger Punkte gesundheitsfördernd sein.
Aus gesundheitlicher Sicht gilt, dass Ernährungsweisen nicht pauschal bewertet werden können, da die Vorteile immer von der Umsetzung abhängen. Eine vegane Ernährung sollte abwechslungsreich gestaltet werden und auf Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Vollkornprodukte und Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse, pflanzlichen Ölen sowie wenig Salz und Zucker basieren. Wird zusätzlich Vitamin B12 supplementiert und alle weiteren potenziell kritischen Nährstoffe in bedarfsdeckender Menge zugeführt, kann auch eine vegane Ernährung gesundheitsfördernd sein.
In Übersichtsarbeiten wurde eine höhere Zufuhr von Ballaststoffen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Vitamin E, Thiamin, Folat, Vitamin C, und Magnesium bei einer niedrigeren Zufuhr von gesättigten Fettsäuren beobachtet. Dies ist als positiv zu beurteilen. Zudem zeigten sich Hinweise auf günstige Zusammenhänge mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit, dem Vorkommen von Krebs sowie einem besseren kardiometabolischen Risikoprofil bei einer veganen Ernährung im Vergleich zu anderen Ernährungsweisen.
DGE-Blog:
Gibt es auch Nachteile einer veganen Ernährung?
Alessa Klug:
Es gibt einige Nährstoffe, die in einer Mischkost insbesondere aus tierischen Lebensmitteln stammen. Eine Sonderstellung nimmt das Vitamin B12 ein, welches bei veganer Ernährung supplementiert werden muss. Dieses kommt in ausreichender und für den Körper verfügbarer Menge nur in tierischen Lebensmitteln vor. Eine weitere Sonderstellung hat Jod, da dieses in Deutschland auch bei einer Mischkost als kritisch gilt und wichtige Jodquellen wie Milch- und Milchprodukte sowie Fisch bei einer veganen Ernährung wegfallen. Weitere potenziell kritische Nährstoffe sind langkettige n-3-Fettsäuren – vor allem für Schwangere, Stillende sowie Kinder und Jugendliche – Protein, Vitamin D, Riboflavin, Calcium, Eisen, Zink, Selen und gegebenenfalls Vitamin A. Diese Nährstoffe müssen bei einer veganen Ernährung aus anderen Quellen zugeführt werden, was besonders für vulnerable Bevölkerungsgruppen deutlich schwieriger sein kann als bei einer Mischkost. Dafür ist ein gutes Ernährungswissen erforderlich.
Außerdem wurde in Übersichtsarbeiten ein Zusammenhang mit einer schlechteren Knochengesundheit und einem höheren Risiko für Knochenbrüche beobachtet.
Die Position der DGE zu veganer Ernährung wurde erstmals 2016 veröffentlicht. 2020 wurde sie für Gruppen mit einem besonderen Anspruch an die Nährstoffversorgung ergänzt und 2024 überarbeitet. In den älteren Versionen wurde eine vegane Ernährung für vulnerable Gruppen wie Kinder und Jugendliche nicht empfohlen.
In der 2024 veröffentlichten Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung werden neben der Gesundheit auch weitere Faktoren wie Umwelt, Tierwohl und Soziales betrachtet. Aufgrund der eingeschränkten Datenlage wird in der aktualisierten Version für Kinder und Jugendliche weder eine vegane Ernährung empfohlen noch davon abgeraten. Denn das Risiko für mögliche, teilweise irreversible Folgen kann erhöht sein. Für eine sorgfältige Planung ist ein umfassendes Ernährungswissen erforderlich, daher ist eine Ernährungsberatung durch eine qualifizierte Ernährungsfachkraft dringend angeraten.
DGE-Blog:
Empfiehlt die DGE eine vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche?
Alessa Klug:
In der Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung wird für vulnerable Bevölkerungsgruppen, zu denen auch Kinder und Jugendliche gehören, weder eine Empfehlung für noch gegen eine vegane Ernährung ausgesprochen. Im Vergleich zu den anderen vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie Schwangeren, Stillenden und Senior*innen liegen für Kinder und Jugendliche die meisten Studien vor. In diesen zeigen sich keine mit Sicherheit als negativ zu beurteilenden Zusammenhänge zwischen veganer Ernährung und Gesundheit. Dennoch ist die Datenlage derzeit noch eingeschränkt, sodass diese nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können.
In den bisherigen DGE-Positionspapieren wurde eine vegane Ernährung für diese Gruppen „nicht empfohlen“. Auch wenn die bisherige Formulierung „nicht empfohlen“ nicht als pauschale Ablehnung einer gut geplanten veganen Ernährung zu verstehen ist, wird die in der Neubewertung gewählte Formulierung der Datenlage besser gerecht.
Dr. Jasmin Geppert
... leitet das DGE-Referat Gemeinschaftsverpflegung und Qualitätssicherung gemeinsam mit Frau Prof. Bölts. Sie ist zudem Referats- und Projektleiterin "IN FORM in der Gemeinschaftsverpflegung".
Die Diplom-Oecotrophologin promovierte im Bereich Gerätetechnik und Nachhaltigkeit. Danach war sie einige Jahre in der Nachhaltigkeitsforschung tätig.
DGE-Blog:
Frau Dr. Geppert, warum gibt es dann trotzdem eine Hilfestellung für die Gestaltung eines veganen Mittagsangebots in Kita und Schule?
Dr. Jasmin Geppert:
Immer mehr Menschen in Deutschland entscheiden sich aus den unterschiedlichsten Gründen für eine pflanzenbetontere oder auch rein pflanzliche Ernährung. Darunter sind auch Familien mit Kindern, so dass die Nachfrage nach veganen Gerichten in der Kita- und Schulverpflegung ebenfalls zunimmt. Damit die Kinder und Jugendlichen, die sich in der Wachstumsphase befinden, gut mit Nährstoffen versorgt werden, ist ein adäquates Speiseangebot von besonderer Bedeutung. Daher möchten wir allen Essensanbietenden eine konkrete Hilfestellung geben, die zeigt, wie ein veganes Angebot bestmöglich gestaltet werden kann, wenn es vermehrt nachgefragt wird.
Die Hilfestellungen beziehen sich auf ein veganes Mittagessen, da die anderen Mahlzeiten häufig über die Brotdose abgedeckt werden und daher von den Eltern bzw. Schüler*innen individuell gestaltet werden können.
Ein veganes Mittagessen ist nebenbei bemerkt nicht nur den Kindern und Jugendlichen vorbehalten, die sich vegan ernähren. Unabhängig von der Ernährungsweise sorgen rein pflanzliche Gerichte für mehr Abwechslung auf dem Speiseplan und sind äußerst umweltfreundlich. Bis zu drei vegane Mittagsgerichte pro Woche sind übrigens auch mit den Kriterien für eine Mischkost oder ovo-lacto-vegetarische Kost in den DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas bzw. Schulen vereinbar.
DGE-Blog:
Diese eine vegane Mahlzeit am Tag – das Mittagessen – erhöht also nicht das Risiko für eine schlechtere Nährstoffversorgung?
Dr. Jasmin Geppert:
Nein, alle Kinder und Jugendlichen können bedenkenlos eine vegane Mittagsmahlzeit in der Kita bzw. Schule verzehren. Die Sorge, dass es bei den Kindern und Jugendlichen, die sich ansonsten nicht vegan ernähren, zu einem Nährstoffmangel kommt, ist unbegründet. Unsere Hilfestellungen unterstützen Essensanbietende dabei, ein veganes Mittagsangebot bestmöglich zu gestalten. Nährstoffe, die bei dem Verzehr eines rein pflanzlichen Mittagessens nicht oder nicht in ausreichendem Maße aufgenommen werden, lassen sich problemlos mit anderen Mahlzeiten ausgleichen, die tierische Produkte enthalten. Die meisten Kinder und Jugendlichen essen in der Regel mehr Fleisch und Fleischprodukte als empfohlen wird. Es ist nicht notwendig, die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr an jedem einzelnen Tag und erst recht nicht anteilig durch eine einzelne Mahlzeit zu erfüllen. Es reicht aus, die Vorgaben im Durchschnitt einer Woche zu erreichen.
Bei Kindern und Jugendlichen, die sich dauerhaft komplett vegan ernähren oder ernährt werden, ist zu allen Mahlzeiten eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl und eine gezielte Kombination von nährstoffdichten und angereicherten Lebensmitteln wichtig, um eine bedarfsdeckende Versorgung mit den potenziell kritischen Nährstoffen sicherzustellen. Für eine ausreichende Vitamin B12-Zufuhr ist die dauerhafte Einnahme eines entsprechenden Präparates unerlässlich. Durch ärztliche Kontrolle sollte zudem die Versorgung mit kritischen und potenziell kritischen Nährstoffen regelmäßig überprüft werden.
DGE-Blog:
Können Sie uns erklären, wie die Hilfestellungen abgeleitet wurden?
Dr. Jasmin Geppert:
Unter Berücksichtigung üblicher Verzehrgewohnheiten in Deutschland haben wir vier beispielhafte Wochenspeisepläne mit insgesamt 20 Verpflegungstagen für Frühstück, Zwischenmahlzeiten, Mittag- und Abendessen erstellt. Die Gesamtenergie wurde zu jeweils 25 % den drei Hauptmahlzeiten und zu jeweils 12,5 % den beiden Zwischenmahlzeiten zugeordnet. Die Pläne wurden nährstoffoptimiert mit dem Ziel, die abgeleiteten Referenzwerte für die Gemeinschaftsverpflegung der Zielgruppen Kinder und Jugendliche bestmöglich zu erreichen und die tolerierbare tägliche obere Aufnahmemenge bei keinem Nährstoff zu überschreiten.
Bei der Optimierung haben wir gezielt Lebensmittel eingesetzt, die die potenziell kritischen Nährstoffe in relevanten Mengen liefern, z. B. Hülsenfrüchte, Nüsse, Ölsaaten und dunkelgrünes Blattgemüse.
Bei der Optimierung haben wir gezielt Lebensmittel eingesetzt, die die potenziell kritischen Nährstoffe in relevanten Mengen liefern, z. B. Hülsenfrüchte, Nüsse, Ölsaaten und dunkelgrünes Blattgemüse. Weiterhin wurden auch calciumreiches Mineralwasser und angereicherte Lebensmittel wie mit Calcium, Jod, Vitamin B2, Vitamin B2 und Vitamin D angereicherte pflanzliche Milchalternativen verwendet.
Aus den nährstoffoptimierten Speiseplänen für 20 Verpflegungstage wurden für jede Lebensmittelgruppe entsprechende Mengen pro Tag bzw. pro Woche ermittelt.
DGE-Blog:
Müssen künftig alle Caterer veganes Mittagessen in Kita und Schule anbieten?
Dr. Jasmin Geppert:
Nein. Die Hilfestellungen für eine vegane Mittagsverpflegung sind nicht als eine Empfehlung für alle Kitas und Schulen zu verstehen, zukünftig nur noch vegane Speisen anzubieten.
Viel-mehr
sollen sie unterstützen, ein rein veganes Speiseangebot bestmöglich zu gestalten, wenn dieses nachgefragt wird.
Vielmehr sollen sie unterstützen, ein rein veganes Speiseangebot bestmöglich zu gestalten, wenn dieses nachgefragt wird.
DGE-Blog:
Welche Voraussetzungen müssen generell gegeben sein, dass veganes Essen in Kita und Schule gut angenommen wird?
Dr. Jasmin Geppert:
Unabhängig von der Ernährungsweise müssen die Speisen attraktiv, schmackhaft und appetitlich angerichtet sein, damit Kinder und Jugendliche Freude beim Essen haben. Im Allgemeinen werden bekannte Gerichte eher akzeptiert als komplett neue Gerichte. Somit bietet es sich an, auf beliebte Gerichte, wie z. B. Lasagne oder Spaghetti Bolognese, zurückzugreifen und diese neu zu interpretieren.
Auch die Vorbildfunktion von Lehrer*innen und pädagogischem Personal spielt eine Rolle. Nehmen sie an den Mahlzeiten teil, kann dies die Akzeptanz erhöhen.
Auch die Vorbildfunktion von Lehrer*innen und pädagogischem Personal spielt eine Rolle. Nehmen sie an den Mahlzeiten teil, kann dies die Akzeptanz erhöhen.
Ein weiterer Faktor, der zur Steigerung der Akzeptanz beitragen kann, ist die Verknüpfung zwischen dem Verpflegungsangebot und der Ernährungsbildung. Lernen Kinder in Kita oder Schule, dass eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Ernährung überwiegend aus pflanzlichen Lebensmitteln besteht und nur durch tierische Lebensmittel ergänzt werden kann, sollte sich dies auch auf dem Teller widerspiegeln.
DGE-Blog:
Vielen Dank für das Gespräch.
Der Beitrag wurde zuerst im Wissenschaftsmagazin DGEwissen in der Januar -Ausgabe 2025 veröffentlicht. Dr. Gunda Backes führte das Interview.
Literatur:
Weitere Informationen:
Was sollten Sie bei der Gestaltung eines veganen Mittagessens berücksichtigen?
Vegane Verpflegung in der Kita
Presseinformation 2024: DGE veröffentlicht neues Positionspapier zu veganer Ernährung