Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Nach ihrer Satzung ist sie dem Gemeinwohl und der Wissenschaft verpflichtet. Sie beschäftigt sich mit allen auf dem Gebiet der Ernährung auftretenden Fragen und stellt Forschungsbedarf fest.
Am 4. November 1953 wurde die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins gegründet.
unterstützt die ernährungswissenschaftliche Forschung ideell, informiert über neue Erkenntnisse und Entwicklungen und macht diese durch Publikationen und Veranstaltungen verfügbar.
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Erstmalig gibt sich die DGE ein Emblem, das aus einer Pflanze, in deren Blättern jeweils ein Buchstabe der DGE eingetragen ist, besteht. Kreisförmig wird es vom Schriftzug „Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.“ umrahmt. Seit den 1960er Jahren erscheint der „Rundbrief Ernährungsberater DGE“, der Vorläufer des „DGEinfo“ und des "Wissenschaftsmagazin DGEwissen" als internes Informationsorgan.
Die 1950er Jahre
Am 4. November 1953 wird die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bad Neuenahr gegründet. Sie entsteht aus sieben Fachgesellschaften (Arbeitsgemeinschaft ernährungswissenschaftlicher Institute, Berliner Komitee für Ernährungsfragen, Deutsches Gesundheitsmuseum, Deutscher Gesundheits-, Prüfungs- und Beratungsdienst, Gemeinnützige Gesellschaft zur Verbreitung von Ernährungswissen, Gesellschaft für Ernährungsbiologie und Interessengemeinschaft für Ernährung), die sich mit den Themen Ernährung und Gesundheit beschäftigten. Diese Fachgesellschaften wurden korporative Mitglieder; ihre Vorsitzenden Mitglieder des Vorstands der DGE. Wilhelm Heupke wird zum ersten Präsidenten gewählt.
- In der Anfangszeit der Gesellschaft war das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) zuständig, da die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Fokus stand.
- Die ersten beiden Abteilungen „Krankenernährung“ und „Allgemeinernährung“ wurden um die Abteilung „Wissenschaft“ ergänzt.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung im Nationalsozialismus
1935 wurde die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung (DGEF) im Reichgesundheitsamt in Berlin durch Hans Reiter (1) gegründet. Sie setzte sich im Wesentlichen aus der „Abteilung N“ (Ernährungsphysiologie) des Reichsgesundheitsamts, in der neben Mediziner*innen, Chemiker*innen und Landwirt*innen arbeiteten, zusammen. Die DGEF war als interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen organisiert. Mediziner*innen, Chemiker*innen, Pharmakolog*innen, Landwirt*innen, Volkswirt*innen und Statistiker*innen verfolgten hier vor allem die Ziele der nationalsozialistischen Ernährungspolitik. Sie setzten alle Vorgaben der NS-Ideologie im Bereich der Ernährungswissenschaften um - die rassistischen und antisemitischen inbegriffen.
Ziel und Schwerpunkte
Das wichtigste Ziel war es, die Zusammenhänge von Arbeit und Ernährung zu erforschen. Schwerpunkte waren die Frage des Bedarfs bei unterschiedlicher Arbeitsbeanspruchung, die Auswahl und Zubereitung von Lebensmitteln, regionale Unterschiede in der Ernährung, Ernährungstherapie und die Gemeinschaftsverpflegung (vgl. Ulrike Thoms: Einbruch, Aufbruch, Durchbruch? Strukturen und Netzwerke der deutschen Ernährungsforschung vor und nach 1945. In: Rüdiger vom Bruch und Uta Gerhardt (Hg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte, Stuttgart 2006, S. 115).
Das Volksganze stand im Vordergrund; das Individuum und seine Lebensqualität traten dabei zurück. In ihrer Struktur und inhaltlichen Ausrichtung war die DGEF eine „gleichgeschaltete“ Fachgesellschaft, die die ideologischen und politischen Strategien des nationalsozialistischen Regimes wissenschaftlich stützte und zu deren Realisierung beitrug (DOI 10.4455/eu.2016.050).
Das Publikationsorgan der DGEF war die Zeitschrift „Die Ernährung“. Sie sollte “das gesamte Ernährungswesen in Forschung, Lehre und Praxis“ wiederspiegeln, wie es im Untertitel der Zeitschrift hieß.
Zu Zwecken der Kriegsvorbereitungen forschte die DGEF daran, Deutschland im Bereich der Nährstoffversorgung unabhängig von Einfuhren aus dem Ausland zu machen. Nach Ende des 2. Weltkrieges stellte sie ihre Aktivitäten ein.
Vorgängerorganisation der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
Da die DGEF während des Nationalsozialismus die Ernährungswissenschaft vertrat, ist sie als Vorgängerorganisation der DGE anzusehen. Die DGE, “…verurteilt, dass sich ihre Vorgängerin… vom Nationalsozialismus instrumentalisieren ließ und als willfähriger Helfer in der Umsetzung einer verbrecherischen Ideologie agierte“… „Die DGE bedauert, dass personelle und inhaltliche Kontinuitäten bei ihrer Gründung nicht thematisiert und kritisch reflektiert wurden. Die kritische Betrachtung der Rolle der Ernährungswissenschaft im nationalsozialistischen Deutschland ist auch heute noch nötig; sie darf nicht in Vergessenheit geraten.“(DOI 10.4455/eu.2016.050)
(1) Hans Reiter (1881-1969) leitet das Reichsgesundheitsamt und war Präsident der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung. Er wurde zusätzlich als Präsident und Vorsitzender der DGEF eingesetzt. Reiter war Mitglied der SS und wurde nach dem Krieg für Kriegsverbrechen verurteilt.
Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Ernährungswissenschaft durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung (DGEF, 1935-1945) vertreten, die somit als Vorgängerorganisation der Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. anzusehen ist. Deshalb ist für die DGE ein historischer Blick auf die Aufgaben und Aktivitäten der DGEF unverzichtbar.
1952 fordert die International Union of Nutritional Sciences (IUNS) Deutschland auf, eine repräsentative, unabhängige und wissenschaftlich arbeitende Vertretung der deutschen Ernährungswissenschaft zu gründen und ihr beizutreten. Mehrere deutsche Vertreter*innen aus Ernährung, Medizin und Landwirtschaft, unter ihnen Heinrich Kraut, fuhren 1953 auf eine dreimonatige Studienreise in die Vereinigten Staaten, die einen weiteren Impuls für die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. gab.
Die DGE wurde am 4. November 1953 nach dem Vorbild amerikanischer Gesellschaften als gemeinnütziger Verein gegründet, wobei ein Bezug zur nationalsozialistischen Vorgängerorganisation DGEF (siehe DOI 10.4455/eu.2016.050) nicht thematisiert wurde.
Die ersten DGE-Präsidenten
Die drei ersten Präsidenten der DGE, Wilhelm Heupke (1953-1954), Erich Grafe (1954-1956) und Heinrich Kraut (1956-1958), hatten sich bereits in der Zeit des Nationalsozialismus mit Ernährungsfragen befasst. Alle drei traten 1937 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Vor allem Heupke und Kraut arbeiteten mit der nationalsozialistischen Regierung zusammen.
Wilhelm Heupke
Wilhelm Heupke trat 1934 dem Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund, auch „NS-Dozentenbund“ und der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, bei. 1937 wurde er Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).
Im Jahre 1941 wurde er Abteilungsleiter des wehr- und kriegswichtigen „Institut für Kochwissenschaft“ in Frankfurt/Main.
Erich Grafe
Erich Grafe, seit 1933 Fördermitglied der "Schutzstaffel" (kurz: SS), trat 1935 in die Sturmabteilung (SA) – der paramilitärischen Kampforganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) – ein. Im Jahr 1937 wurde er Mitglied der NSDAP.
Erich Grafe arbeitete bis 1945 als Ordinarius für Innere Medizin und ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik der Universität Würzburg.
Heinrich Kraut
Heinrich Kraut, Gründer der DGE, trat 1937 der NSDAP bei und beriet das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Er entwickelte im 2. Weltkrieg die „Kraut´schen Normen“, die als „Rationssätze für verschiedene Bevölkerungsgruppen“ bekannt geworden sind. Dafür wurde ihm im Jahr 1943 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen (Marc Buggeln, Michele Wildt (Hrsg.): "Arbeit im Nationalsozialismus" aus Irene Raehlmann: "Forschungen des Kaiser Wilhelm Institutes für Arbeitsphysiologie im Nationalsozialismus." 2014, S. 130).
Kraut leitete zur NS-Zeit Versuchsreihen zum Energiebedarf an Strafgefangenen und Zwangsarbeiter*innen. Im Nürnberger Prozess 1948 sagte er als Gutachter für den IG Farben und Flick Konzern eidesstattlich aus, dass die Ernährungsgrundlage der KZ-Häftlinge in Ausschwitz ausreichend gewesen sei. Dies widersprach der Wahrheit.
Die Präsident*innen der DGE
- Wilhelm Heupke (1953-1954)
- Erich Grafe (1954-1956)
- Heinrich Kraut (1956-1958)
- Joachim Kühnau (1958-1960)
- Robert Ammon (1960-1964)
- Joseph Schormüller (1964-1968)
- Rudolf Pannhorst (1968-1972)
- Günther Siebert (1972-1974)
- Alfons Fricker (1974-1976)
- Nepomuk Zöllner (1976-1978)
- Hans J. Bielig (1978-1982)
- Erich Menden (1982-1986)
- Günter Schlierf (1986-1990)
- Volker Pudel (1992-1994)
- Günther Wolfram (drei Amtsperioden: 1990-1992, 1994-1998)
- Helmut F. Erbersdobler (1998-2003)
- Peter Stehle (2004-2010)
- Helmut Heseker (2010-2016)
- Ulrike Arens-Azevêdo (2016-2019)
- Prof. Dr. Jakob Linseisen (2019-2022)
- Prof. Dr. Bernhard Watzl (seit 2022)
Weitere Informationen: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (Hrsg.): 50 Jahre DGE – Ernährungswissen im Wandel der Zeit, 1. Auflage 2003