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Bunte Pillen für’s gute Gewissen

Was bringen Nahrungsergänzungsmittel?

(dge) Gerade in der kalten Jahreszeit hören und lesen die Verbraucher in Werbung und Medien, dass sie eine Extraportion Vitamine und Mineralstoffe bräuchten, um Bakterien und Viren abzuwehren und einem „Nährstoffmangel“ vorzubeugen. Auch Schlagworte wie „Vitaminmangelland“ und „Vitaminlüge“ machen in der Publikumspresse in regelmäßigen Abständen die Runde. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat kürzlich die aktuelle Datenlage zur Vitaminversorgung der Bevölkerung geprüft und festgestellt, dass Deutschland kein Vitaminmangelland ist. Die überwiegende Zahl der Menschen ist hierzulande mit Vitaminen ausreichend versorgt. Und Vitaminmangelkrankheiten kommen äußerst selten vor. Studien haben bisher auch nicht den Nachweis erbracht, dass die Folgen eines ungünstigen Ernährungsverhaltens durch Einnahme von Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden können, dennoch wächst der Markt mit Kapseln, Tabletten und Pulvern stetig. Auf einem Journalistenseminar der DGE Ende Oktober in Hamburg bringt Prof. Dr. Helmut Heseker, Präsident der DGE, es auf den Punkt: „Wir nehmen Nahrungsergänzungsmittel meist zur Gewissensberuhigung. Aber Ernährungsfehler lassen sich nicht durch Pillen ausgleichen. Und damit nicht genug: Dem fehlenden Nutzen der Einnahme von Vitaminpräparaten steht sogar das Gesundheitsrisiko durch zu hohe Zufuhrmengen gegenüber, insbesondere dann, wenn hoch dosierte Präparate über eine längere Zeit eingenommen und zusätzlich angereicherte Lebensmittel verzehrt werden.“ 

Prof. Dr. Bernhard Watzl, Max Rubner-Institut, resümiert: „Nahrungsergänzungsmittel schützen Gesunde nicht vor Krankheiten. In den 1980er- und 1990er-Jahren reduzierte man die positiven gesundheitlichen Effekte von Gemüse und Obst auf bestimmte Inhaltsstoffe, insbesondere Vitamine. Heute wissen wir, dass vielmehr die Vielfalt biologisch aktiver Substanzen, die wir durch einen hohen Konsum von Gemüse und Obst aufnehmen, insgesamt positive Wirkungen auf die Gesundheit hat.“ 

Auch die Einnahme von Antioxidanzien wie β-Carotin, Vitamin C und E oder Zink und Selen zeigt keinerlei positive Effekte. Prof. Dr. Marc Birringer, Hochschule Fulda, rät ebenfalls von Nahrungsergänzungsmitteln ab und appelliert an die Umstellung unseres Ernährungs- und Lebensstils. „Der Körper verfügt über zahlreiche körpereigene Antioxidanzien, die wir durch Bewegung und Sport, die Vermeidung von Übergewicht und eine abwechslungsreiche Ernährung aktivieren können.“ 

Hintergrundinformation

Repräsentative Studien in Deutschland zeigen, dass bei der Mehrzahl der Vitamine die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr im Mittel erreicht oder sogar überschritten werden. Die Referenzwerte geben Mengen an, die nahezu alle gesunden Personen einer Bevölkerungsgruppe vor mangelbedingten Gesundheitsschäden schützen, für volle Leistungsfähigkeit sorgen und eine gewisse Körperreserve schaffen sollen. Fälschlicherweise wird eine rechnerische Unterversorgung häufig bereits als Mangel bezeichnet. „Das ist nicht richtig. Mangel bedeutet, dass der Bedarf nicht gedeckt ist und es deshalb zu Stoffwechselstörungen und Krankheiten kommt, die der Arzt feststellt. Bei einem Unterschreiten der Referenzwerte kann der Bedarf des Einzelnen trotzdem gedeckt sein, da die Referenzwerte erhebliche Zuschläge zum durchschnittlichen Bedarf enthalten.“ erläutert Angela Bechthold, Referat Wissenschaft der DGE. Ein Unterschreiten der Referenzwerte erlaubt lediglich Rückschlüsse auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Unterversorgung. 

Werden die Referenzwerte für die Vitaminzufuhr unterschritten, dann meist durch eine ungünstige Lebensmittelauswahl. Eine ausgewogene Ernährung liefert dem gesunden Erwachsenen in der Regel ausreichend Vitamine (Ausnahme Vitamin D) und andere essenzielle Nährstoffe. Wer seine Vitamin- bzw. Nährstoffversorgung insgesamt verbessern möchte, sollte bevorzugt zu pflanzlichen Lebensmitteln, vor allem Gemüse und Obst sowie Vollkornprodukten anstelle von Weißmehlprodukten greifen. Der Gemüse- und Obstverzehr trägt maßgeblich dazu bei, das Risiko für Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall zu senken. Je mehr Gemüse und Obst gegessen wird, desto geringer ist das Risiko für das Eintreten dieser Krankheiten. Und während es bei der Einnahme von hoch dosierten Nahrungsergänzungsmitteln und dem gleichzeitigen Verzehr von angereicherten Lebensmitteln zu gesundheitlich bedenklichen Zufuhrmengen kommen kann, ist die Gefahr der Überdosierung mit Vitaminen oder anderen Nährstoffen bei einer gewöhnlichen Ernährung mit üblichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Fleisch, Käse nahezu ausgeschlossen. 

Für einzelne Risikogruppen innerhalb der Bevölkerung gibt es jedoch kritische Nährstoffe. Schwangere und Stillende gehören beispielsweise zu den Personengruppen mit erhöhtem Nährstoffbedarf, die gegebenenfalls Eisen und Jod supplementieren sollten und Frauen, die schwanger werden wollen, oder könnten, sollten täglich 400 µg Folsäure ergänzen. Für Säuglinge wird die Vitamin K-Gabe nach der Geburt und im ersten Lebensjahr ein Präparat mit 10 µg Vitamin D und 0,25 mg Fluorid empfohlen. Ein Vitamin D-Präparat wird Menschen empfohlen, die sich bei Sonnenschein nicht oder kaum im Freien aufhalten bzw. ihre Haut nicht unbedeckt der Sonne aussetzen. Außerdem rät die DGE der Gesamtbevölkerung zur Verwendung von jodiertem und fluoridiertem Speisesalz im Haushalt sowie mit Jodsalz hergestellten Lebensmitteln. 

Kontakt

Silke Restemeyer
Referat Öffentlichkeitsarbeit
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