Bedeutung wissenschaftlich fundierter Ernährung
Gesicherte Ernährungsempfehlungen bleiben lange stabil
Die Verunsicherung der Verbraucher*innen beim Thema Ernährung ist groß. In den Medien werden häufig Ergebnisse einzelner Studien als „neue Erkenntnisse“ der Ernährungsforschung dargestellt. Dies führt oft dazu, dass gültige Ernährungsempfehlungen voreilig in Frage gestellt werden. Warum Ernährungsempfehlungen nicht auf einzelnen Publikationen, sondern auf einem systematischen Prozess der Sichtung, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Studien basieren sollte, erklärten Ernährungsexpert*innen auf dem DGE-Journalistenseminar am 9. Dezember 2019 in Hamburg.
„Die Grundlage für Ernährungsempfehlungen sollte immer die Summe der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, also die wissenschaftliche Datenlage (Evidenz) sein. Daher ist ein kontinuierlicher und aktueller Überblick über die Studienlage zum Einfluss von Ernährungsfaktoren auf die Gesundheit sicherzustellen “, erklärt Prof. Dr. Jakob Linseisen, Präsident der DGE. Ebenso sind standardisierte Methoden zur Evidenzfindung und -bewertung notwendig. „Für die Ableitung von Empfehlungen brauchen wir wissenschaftliche Studien mit möglichst hoher Evidenz“, so Linseisen weiter. Nur so können Leitlinien und wissenschaftliche Stellungnahmen – wie sie von der DGE zu vielen Themen in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt wurden – erarbeitet werden. Beispiele sind die evidenzbasierten Leitlinien der DGE zu Kohlenhydraten und Fetten.
Ernährungsempfehlungen: Ständig im Wandel?
Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung, dass sich Ernährungsempfehlungen dauernd verändern, bleiben viele der wissenschaftlich fundierten Empfehlungen über lange Zeiträume stabil. Ein weiterer Aspekt hinsichtlich Konstanz und Einheitlichkeit von Ernährungsempfehlungen ergibt sich aus den internationalen Vergleichen. Dabei wird deutlich, dass internationale Empfehlungen denen der DGE häufig sehr ähnlich sind. Beispielsweise gibt die DGE einen Orientierungswert für die Speisesalzzufuhr von bis zu 6 Gramm Speisesalz/Tag an. Dieser Wert entspricht der international empfohlenen Zufuhrmenge von 5-6 Gramm pro Tag. Studien haben gezeigt, dass sich sowohl eine extrem geringe als auch eine sehr hohe Speisesalzzufuhr negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Hierzulande nehmen laut dem Erwachsenensurvey DEGS die meisten Menschen deutlich zu viel Speisesalz auf: Frauen im Durchschnitt 8,4 Gramm pro Tag, Männer 10 Gramm pro Tag. Dies ist insbesondere für Personen mit erhöhtem Blutdruck, Diabetes mellitus, erhöhtem Körpergewicht und Nierenerkrankungen kritisch anzusehen.
Expert*innen fordern: Mehr Ballaststoffe, weniger Zucker
Es liegt im Trend, beispielsweise bei Low-Carb-Diäten, nur wenig Kohlenhydrate zu essen. Damit einher geht aber auch eine geringe Zufuhr an ernährungsphysiologisch wertvollen Vollkornprodukten und somit Ballaststoffen. Gerade diese können jedoch das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Dickdarmkrebs senken. Die empfohlenen 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag erreichen laut NVS II in Deutschland weder Männer mit einer medianen Zufuhr von 19 Gramm/Tag noch Frauen mit 18 Gramm/Tag.
Besonders groß ist die Verunsicherung auch beim Thema Zucker. Raffinierter („weißer“) Zucker wird oft durch vermeintlich gesündere Zuckeralternativen wie Agavendicksaft, Honig oder Ahornsirup ersetzt. „Diese Zuckeralternativen bieten gegenüber raffiniertem Zucker jedoch keine gesundheitlichen Vorteile, da sie auf dieselbe Weise verstoffwechselt werden“, erklärt Prof. Dr. Hans Hauner, TU München. Viel stärker als die Art der Zuckerquellen besorgt Expert*innen der weltweite Anstieg der Zuckerzufuhr. Eine hohe Zuckerzufuhr, insbesondere über zuckergesüßte Getränke, ist mit einem erhöhten Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Zahnkaries verbunden. Daher empfiehlt die DGE: Maximal 10 % der Gesamtenergiemenge sollten freie Zucker sein, also etwa 50 Gramm pro Tag. Dazu müsste jeder Deutsche seinen Zuckerverzehr um mindestens 25 % senken. Zu freien Zuckern zählen Monosaccharide und Disaccharide, die Hersteller oder Verbraucher*innen Lebensmitteln zusetzen sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten natürlich vorkommende Zucker.
Mehr Verhältnisprävention für weniger Körpergewicht
Das größte Problem in Bezug auf Ernährung und Gesundheit bleibt die starke Zunahme von Übergewicht und Adipositas mit Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, muss in Zukunft vor allem die Verhältnisprävention gestärkt werden, die ein gesundheitsförderndes Verhalten erleichtert.