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Presseinformation

Übergewicht und Adipositas in Deutschland – Lebensbedingungen müssen gesünder werden

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat im aktuellen 15. DGE-Ernährungsbericht eine Literaturanalyse zur Entwicklung und Verbreitung von Übergewicht in Deutschland veröffentlicht.
Ein Mann und eine Frau im Vordergrund, im Hintergrund farblich passend zur Kleidung für den Mann und die Frau hinterlegte Statistikkurven, die nach oben ansteigen. Dazu die Überschrift: „Entwicklung von Übergewicht bei Erwachsenen“.

Die Ergebnisse der Autor*innen Prof. Dr. Christina Holzapfel, Hochschule Fulda, und Prof. Dr. Hans Hauner, Technische Universität München, zeigen besorgniserregende Trends und machen deutlich, dass dringend umfassende Präventionsmaßnahmen erforderlich sind.

„Unsere Auswertung bestätigt, dass Übergewicht und Adipositas in Deutschland weit verbreitet sind und mit ihren gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Folgen ein massives gesellschaftliches Problem darstellen“, sagt Holzapfel. „Übergewichtsprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und bedarf eines Portfolios an Maßnahmen.“ Berechnungen auf Basis von Krankenkassendaten zeigen, dass starkes Übergewicht in Deutschland direkte und indirekte Kosten in Höhe von über 63 Milliarden Euro verursacht – mehr als das Rauchen.

Übergewicht betrifft alle Altersgruppen

Übergewicht entsteht vor allem durch eine langfristig zu hohe Energieaufnahme und ist definiert als Body Mass Index (BMI) von ≥ 25 kg/m² (Verhältnis des Körpergewichts in Kilogramm zum Quadrat der Körpergröße in Metern). Laut Mikrozensus 2021 sind unter den 18- bis 65-Jährigen 61 % der Männer und 38 % der Frauen übergewichtig. Dabei kommt Übergewicht mit steigendem Alter immer häufiger vor. Am höchsten ist der Anteil der Menschen mit Übergewicht bei den 60- bis 64-Jährigen mit 72 % der Männer und 51 % der Frauen. Während die Häufigkeit von Übergewicht bei älteren Erwachsenen im Verlauf der letzten 20 Jahre auf hohem Niveau stagniert oder rückläufig ist, nimmt sie bei jüngeren Menschen (44 Jahre oder jünger) zu.

Zudem sind immer mehr Menschen von Adipositas, also starkem Übergewicht mit einem BMI von mindestens 30 kg/m², betroffen: Im Jahr 2021 sind 18 % der Männer und 13 % der Frauen adipös, während es 1999 noch 12 % der Männer und 10 % der Frauen waren.

Im Einklang mit den Daten des Mikrozensus zeigt auch die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA 2019/2020-EHIS), dass Männer häufiger als Frauen und Ältere häufiger als Jüngere übergewichtig sind. Da es sich sowohl beim Mikrozensus als auch bei GEDA um Befragungen handelt, könnte die tatsächliche Häufigkeit von Übergewicht noch höher liegen, da Teilnehmende ihr Körpergewicht häufig unterschätzen und ihre Körpergröße überschätzen. Gemessene Werte liegen aus der der Nationalen Kohorte (NAKO) vor. Erste Auswertungen der in den Jahren 2014–2018 erhobenen Daten zeigen, dass unter den 40- bis 59-Jährigen 69 % der Männer und 49 % der Frauen übergewichtig und 23 % der Männer sowie 20 % der Frauen adipös sind.

Bis ins hohe Alter stellen Übergewicht bzw. Adipositas ein erhebliches Gesundheitsproblem dar. Zunehmend sind pflegebedürftige ältere Menschen von Adipositas betroffen, was eine erhöhte Belastung für Pflegende sowie das Gesundheitssystem bedeutet.

Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern geht ein niedriger sozioökonomischer Status mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht einher. Bei Kindern und Jugendlichen sind zudem diejenigen mit Migrationshintergrund häufiger übergewichtig als andere.

COVID-19 verschärfte die Übergewichtsproblematik

Die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie haben die Gewichtszunahme der Menschen verstärkt. Laut einer repräsentativen Onlinebefragung nahmen 40 % der befragten Erwachsenen im ersten Jahr der Pandemie zu, im Durchschnitt 5,5 kg – jene mit einem BMI ab 30 kg/m² sogar 7,2 kg. Auch bei Kindern und Jugendlichen verstärkte die Pandemie die Zunahme von Übergewicht, insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Familien.

Übergewicht in der Schwangerschaft gefährdet Mutter und Kind

Immer mehr Schwangere sind übergewichtig. Das zeigen die jährlichen „Bundesauswertungen Geburtshilfe“. Im Jahr 2022 hatte fast jede zweite Schwangere bei der Erstuntersuchung Übergewicht, was das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes und Komplikationen erhöht. Eine andere Studie zeigt, dass 45 % der werdenden Mütter während der Schwangerschaft zu viel an Gewicht zulegen. Wird das Kind bereits im Mutterleib mit Energie überversorgt, kann das seine Entwicklung und auch seine Gesundheit als Erwachsener beeinträchtigen. Schätzungen zufolge ist etwa jeder 10. Todesfall bei Neugeborenen auf Übergewicht der Mutter zurückzuführen.

Dringender Handlungsbedarf in Prävention und Forschung

„Die für Deutschland vorliegenden Daten zeigen sehr deutlich, dass die Mehrheit der Erwachsenen Schwierigkeiten hat, das Körpergewicht im Normbereich zu halten“, sagt Hauner. „Dennoch fehlt es hierzulande an wirksamen Präventionsmaßnahmen und an regelmäßig erhobenen belastbaren Daten. Ebenso fehlt es an interdisziplinärer Forschung, die uns hilft, die Ursachen von Übergewicht besser zu verstehen und evidenzbasierte Präventionsstrategien zu entwickeln.“ Um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen zu minimieren, müssen Prävention und Forschung deutlich verstärkt werden.

Die Hauptursache für Übergewicht – eine zu hohe Energiezufuhr – wird durch unsere sogenannte adipogene Lebenswelt begünstigt, die vielen Menschen eine gesunde Ernährung und körperliche Bewegung erschwert. Daher sollte zum einen das Verpflegungsangebot im Umfeld der Menschen, wie etwa der Wohnumgebung und der Gemeinschaftsverpflegung, verbessert werden. Auch finanzielle Anreize wie zusätzliche Steuern auf ungesunde Lebensmittel, insbesondere zuckergesüßte Getränke, können die Häufigkeit von Übergewicht verringern. Zum anderen sollte körperliche Bewegung gefördert werden, was auch die Verkehrsplanung und die Gestaltung öffentlicher Räume betrifft.


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