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Fachinformationen

Flexitarier — die flexiblen Vegetarier

Flexitarier sind flexible Vegetarier, die zwar generell Fleisch essen, dies aber nicht täglich oder regelmäßig tun. Strenge Regeln zum Ausmaß des Fleischverzichts gibt es da-bei nicht. Ihre Gemeinsamkeit-en: Flexitarier legen besonders viel Wert auf den Tierschutz und die Qualität der Nahrung. Neben Umweltaspekten spielt wie bei anderen Formen des Vegetarismus auch ein ver-stärktes Gesundheitsbewusst-sein eine wichtige Rolle.
Stand: Oktober 2013

Einleitung

Flexitarier werden auch als flexible Vegetarier bezeichnet. Sie lehnen die Massentierhaltung ab, möchten die Umwelt schützen, ihre Gesundheit fördern und trotzdem nicht ganz auf Fleisch verzichten.

In den USA ist der Begriff Flexitarier schon seit rund zehn Jahren sehr geläufig. Bereits im Jahr 2003 wählte die American Dialect Society „flexitarian” (Ursprung: engl. flexitarian = flexible + vegetarian) zum nützlichsten Begriff des Jahres. Im Gegensatz zu den Vegetariern sind die Flexitarier hierzulande (noch) wenig bekannt. Trotzdem sind viele Menschen – oft ohne es zu wissen – Flexitarier. Laut einer im Auftrag des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU) durchgeführten aktuellen Forsa-Studie gibt es in Deutschland rund 42 Mio. „Teilzeitvegetarier“. Definiert wurden die Flexitarier bei dieser Umfrage als Personen mit einem Fleischverzicht an mindestens drei Tagen pro Woche.

Ausprägungen des Vegetarismus

Die Motive für einen vegetarischen Lebensstil sind vielfältig. Ethische, religiöse, gesundheitliche Gründe, aber auch Tierschutz und Umweltaspekte sind häufige Gründe. Dabei existiert der Vegetarismus in den verschiedensten Ausprägungen. Grundsätzlich unterscheidet man die in Tabelle 1 aufgeführten Formen des Vegetarismus bzw. der vegetarisch orientierten Ernährungsweise.

Lebensmittelpyramide für vegetarische Ernährung

Um den Nährstoffbedarf sicher zu decken, ist bei Verzicht auf Fleisch bzw. auf tierische Erzeugnisse eine sorgfältige Lebensmittelauswahl erforderlich. Wie diese in der Praxis aussehen sollte, zeigt die sogenannte Gießener vegetarische Lebensmittelpyramide, die von Claus Leitzmann und Markus Keller entwickelt wurde. Sie soll den besonderen Erfordernissen einer vegetarischen Ernährung Rechnung tragen.

Die Pyramide besteht aus zehn Lebensmittelgruppen. Wasser und die fünf pflanzlichen Lebensmittelgruppen im unteren Teil stellen die Basis einer vegetarischen Ernährung dar. Sie können reichlich verzehrt werden. Die Lebensmittel an der Spitze der Pyramide sollen dagegen nur sparsam verwendet werden. Mengenempfehlungen zu den einzelnen Lebensmittelgruppen erleichtern die praktische Umsetzung.

Tabelle 1 | Formen des Vegetarismus bzw. der vegetarischen Orientierung

Ernährungsform Das wird gegessen: Das wird gemieden:
Vegetarier überwiegend pflanzliche Lebensmittel wie Getreide, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen alle Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Ovo-Lacto-Vegetarier pflanzliche Lebensmittel, zusätzlich Milch, Milchprodukte und Eier alle Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Lacto-Vegetarier pflanzliche Lebensmittel, zusätzlich Milch und Milchprodukte alle Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Ovo-Vegetarier pflanzliche Lebensmittel, zusätzlich Eier alle Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Pesco-Vegetarier/ Pescetarier pflanzliche Lebensmittel, zusätzlich Fisch und Meeresfrüchte Fleisch sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Semi-Vegetarier pflanzliche Lebensmittel, zusätzlich Fisch und Geflügelfleisch rotes Fleisch
Pudding-Vegetarier alles außer Fleisch, häufig wenig Vollkornprodukte und Gemüse, dafür Süßigkeiten und Fertigprodukte alle Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) sowie alle daraus gewonnenen Produkte
Veganer pflanzliche Lebensmittel wie Getreide, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen alle tierischen Produkte, auch Honig und Gebrauchsgegenstände aus Tierkörperteilen (z. B. Wolle, Fell, Leder)
Frutarier/Fructarier/Fruganer nur Pflanzen, die bei ihrer Ernte nicht „sterben“ müssen; radikale Vertreter essen nur Obst, das auf natürliche Weise vom Baum gefallen ist alles andere (z. B. auch Gemüse, das geerntet werden muss wie Möhren oder Lauch)
Rohköstler 100 % reine Rohkost, diese kann vegan, vegetarisch oder omnivor sein, entscheidend ist, dass die Nahrung nicht hitzebehandelt wird hitzebehandelte Nahrung
Flexitarier im Prinzip alles, Orientierung an vegetarischer Ernährung; Fleisch wird ab und zu, aber nicht regelmäßig verzehrt; Qualität der Nahrung spielt eine wichtige Rolle Fleisch, das nicht artgerechter Herkunft ist

Quelle: eigene Recherchen

Ergänzt werden die in der vegetarischen Lebensmittelpyramide visualisierten Verzehrempfehlungen durch Hinweise zu kritischen Nährstoffen. Hierzu zählt etwa Vitamin D, weshalb ein Aufenthalt in der Sonne von mindestens 15 Minuten pro Tag empfohlen wird. Für die Sicherung der Vitamin D-Versorgung in den sonnenarmen Monaten wird auf angereicherte Lebensmittel und Supplemente verwiesen.

Veganer benötigen außerdem eine ausreichende Vitamin B12-Zufuhr, die durch eine entsprechende Nahrungsergänzung oder Lebensmittelanreiecherung gesichert werden sollte. Bei veganer Ernährung ist zudem gezielt auf die Zufuhr calciumreicher pflanzlicher Lebensmittel, calciumreicher Mineralwässer sowie mit Calcium angereicherter Produkte zu achten.

Auch der Bewegungsaspekt findet Berücksichtigung. Pro Tag werden mindestens 30 Minuten körperliche Aktivität empfohlen.

Status quo: Fleischkonsum in Deutschland

Auch wenn nationale Statistiken zeigen, dass der Pro-Kopf-Fleischverbrauch insgesamt im letzten Jahrzehnt annähernd konstant blieb (Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2012), gibt es auf individueller Ebene erhebliche Unterschiede in der Höhe des Fleischverzehrs. Eine kürzlich veröffentlichte repräsentative Befragung der Universitäten Göttingen und Hohenheim (Cordts et al. 2013) zum Fleischkonsum zeigt, dass sich die Zahl der Vegetarier in Deutschland innerhalb von sieben Jahren verdoppelt hat. Damit sind aktuell etwa 3,7 % der Bevölkerung Vegetarier, rund zwei Drittel davon sind Frauen. Nur eine sehr kleine Gruppe von unter einem halben Prozent lebt vegan. Dagegen würden 13,5 % der Deutschen sogar mehr Fleisch essen, wenn es billiger wäre.

Dazwischen gibt es eine große Bandbreite von Menschen, die bewusst wenig Fleisch essen (Flexitarier, 11,6 %) oder ihren Fleischkonsum reduzieren wollen (9,5 %). Der Anteil der „Teilzeitvegetarier“ bzw. Flexitarier an der Bevölkerung, der erstmals in einer Befragung erhoben wurde, ist somit deutlich größer als der der Vegetarier. Rund jeder zehnte Deutsche konsumiert demnach bewusst nur bestimmte Fleischarten wie Geflügel oder Bio-Fleisch, isst Fleisch nur zu bestimmten Gelegenheiten oder nur in geringen Mengen. Allerdings sieht weiterhin eine deutliche Mehrheit von drei Vierteln der Deutschen ihren Fleischkonsum als eher unproblematisch an (siehe Tabelle 2). 

Tabelle 2 | Ernährungsstil der deutschen Bevölkerung

Ernährungsstil Anteil an der deutschen Bevölkerung (befragt: 1 174 Personen über 18 Jahre)
Vegetarier/Veganer 3,7 % (darunter 0,3 % Veganer)
Flexitarier 11,6 %
Reduktionswillige Fleischesser 9,5 %
Unbekümmerte Fleischesser 75,1 % (darunter 2,0 %, die zukünftig mehr Fleisch essen wollen

Quelle: Cordts et al. 2013

Generell nimmt der Fleischkonsum mit steigendem Bildungsgrad und höherem Einkommen ab. Auch Gesundheitsmotive bestimmen die Häufigkeit des Fleischverzehrs. Das Wohl der Tiere spielt insbesondere für Vegetarier und bedingt auch für Flexitarier und reduktionswillige Fleischesser eine Rolle, während es die große Gruppe der Fleischesser relativ wenig bekümmert. Auch Umweltschutzbedenken führen zu einem geringeren Fleischkonsum. „In weiten Teilen der Bevölkerung ist bisher allerdings kaum ein Bewusstsein für die Umweltproblematiken der Produktion tierischer Lebensmittel vorhanden“, bemerkt Anette Cordts, die an der Universität Göttingen die Befragung koordinierte. 

Flexitarier sind „in“

Ein Blick in Print- und Onlinemedien offenbart, dass Flexitarismus derzeit voll im Trend liegt. Auch und besonders im Ausland lässt sich dies feststellen. So haben in den Niederlanden Flexitarier bereits eine eigene Homepage (http://flexitarier.nl) und die Compass Group, der weltweit größte Cateringanbieter, startete im Jahr 2010 eine „Be a Flexitarian”-Initiative in den USA. 8500 Kantinen wurden im Rahmen der Kampagne dazu aufgerufen, weniger bzw. gar kein Fleisch anzubieten. Der Tierschutz scheint dabei eine besonders große Rolle zu spielen, denn die Wahl des Partners der Initiative fi el auf die größte Tierschutzorganisation der USA, die Humane Society of the United States (HSUS).

Die flexitarische Ernährungsweise hat aber nicht nur Befürworter. So kommt gerade von Veganern nicht nur Zustimmung zu diesem neuen Kritiker werfen Flexitariern vor, mit ihrem Ernährungsstil nur das eigene Gewissen zu beruhigen, einen echten gesellschaftlichen Wandel habe dies aber nicht zur Folge. Zudem führe dieser „Gelegenheitsvegetarismus“ zu einer Verwässerung des Begriffs Vegetarismus und beinhalte für den Einzelnen das Risiko, früher oder später doch wieder zum Fleischesser zu werden.

Gewichtskontrolle ist häufiges Motiv für Flexitarier

Derzeit gibt es kaum wissenschaftliche Studien zur flexitarischen Ernährungsweise. Möglicherweise sind die Beweggründe für diesen Ernährungsstil häufig andere als für eine „klassische“ vegetarische Ernährung. Eine amerikanische Studie (Forestell et al. 2012) untersuchte kürzlich den Einfluss unterschiedlicher Formen des Vegetarismus auf das Essverhalten. Der Hintergrund: Frühere Studien las sen teilweise vermuten, dass eine vegetarische Lebensweise ein gezügeltes Essverhalten („Dietary Restraint“, „Restrained Eating“) verdecken könnte. Ziel dieser Studie war daher, unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten, den Lebensstil und persönliche Charakteristika in verschiedenen Vegetariergruppen sowie vegetarisch orientierten Gruppen zu vergleichen. Dazu wurden weibliche Vegetarier (n=55), Pesco-Vegetarier (n=28), Semi-Vegetarier (n=29), Flexitarier (n=37) und Fleischesser (n=91) zu Essgewohnheiten, Lebensmittelauswahl und persönlichen Charakteristika befragt.

Die Ergebnisse zeigen, dass Vegetarier und Pesco-Vegetarier offener für neue Lebensmittel waren und in ihrem Essverhalten nicht gezügelter waren als Fleischesser. Dagegen wiesen Semi-Vegetarier, die nur rotes Fleisch von ihrem Speiseplan strichen, und Flexitarier, die ab und zu rotes Fleisch aßen, ein signifikant stärker gezügeltes Essverhalten auf als Fleischesser. Während die Lebensmittelauswahl bei Semi-Vegetariern und Flexitariern vor allem durch Gewichtskontrolle motiviert war, lagen der Lebensmittelwahl von Vegetariern und Pesco-Vegetariern primär ethische Motive zugrunde.

Fazit

Flexitarier sind flexible Vegetarier, die ihren Fleischkonsum bewusst einschränken und möglichst wenig, nur selten oder nur bestimmte Qualitäten von Fleisch essen. Sie stehen für einen gemäßigten, nachhaltigen und qualitätsorientierten Verzehr von Fleisch. Auch das Tierwohl, Umweltaspekte und ein verstärktes Gesundheitsbewusstsein spielen bei der Wahl dieser Ernährungsform eine Rolle. Der Flexitarismus greift damit im Kern Empfehlungen auf, die Ernährungsgesellschaften schon lange vertreten.

In Deutschland sind derzeit knapp 12 % der Bevölkerung der Gruppe der Flexitarier zuzuordnen. Weitere 9,5 % wollen ihren Fleischkonsum in Zukunft verringern. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern wie den USA oder den Niederlanden steht die Flexitarier- Bewegung in Deutschland aber noch eher am Anfang. Derzeit wird in den Medien viel über den Begriff diskutiert. Überzeugte Vegetarier und Veganer sehen im Flexitarismus teilweise eine „Aufweichung“ der vegetarischen Lebensform. Ihr Argument: Da die meisten Menschen sowieso nicht täglich Fleisch essen, muss dies nicht extra ausgelobt werden.

Sowohl die Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen als auch die aktuelle Forsa-Umfrage zeigen, dass der Verzicht auf Fleisch bzw. die Reduzierung des Fleischkonsums auch in Deutschland im Trend liegen. Möglicherweise trägt diese Entwicklung mit dazu bei, die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine vollwertige Ernährung mit einem maßvollen Verzehr von nicht mehr als 300–600 g Fleisch und Wurstwaren pro Woche auf lange Sicht zu erreichen.

Literatur

  1. Albert Schweitzer Stiftung: Weltgrößter Catering-Anbieter wird flexitarisch. (2013) http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/weltgroesster-catering-anbieter-wird-flexitarisch (eingesehen am 30.08.2013)
  2. American Dialect Society: Word of the Year 2003. (2004) http://www.americandialect.org/2003_words_of_the_year (eingesehen am 30.08.2013)
  3. Cordts A, Spiller A, Nitzko S et al.: Imageprobleme beeinflussen den Konsum – Von unbekümmerten Fleischessern, Flexitariern und (Lebensabschnitts-)Vegetariern. Fleischwirtschaft 7 (2013) 59–63
  4. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 12. Ernährungsbericht 2012. Bonn (2012)
  5. Forestell CA, Spaeth AM, Kane SA: To eat or not to eat red meat. A closer look at the relationship between restrained eating and vegetarianism in college females. Appetite 58/1 (2012) 319–325
  6. Leitzmann C, Keller M: Vegetarische Ernährung. Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 3. Auflage (2013)
  7. Lindsey S: Deutschland, deine Flexitarier. (2013) http://www.sueddeutsche.de/leben/fleischkonsum-deutschland-deine-flexitarier-1.1742873 (eingesehen am 30.08.2013)
  8. Rimpler K: Halbzeitvegetarier. (2013) http://halbzeitvegetarier.de/ (eingesehen am 30.08.2013)
  9. taz Streitgespräch: Veganer vs. Flexitarier: „Man muss einen Cut machen!” (2011) http://www.taz.de/!78704/ (eingesehen am 30.08.2013)
  10. Universität Hohenheim: Fleischkonsum in Deutschland: Zahl der Vegetarier verdoppelt sich / genereller Trend zu weniger Fleisch. Pressemeldung vom 22.07.2013. https://www.uni-hohenheim.de/news/fleischkonsum-in-deutschland-zahl-der-vegetarier-verdoppelt-sich-genereller-trend-zu-weniger-fleisch-1 (eingesehen am 30.08.2013)
  11. Vegetarierbund Deutschland: Aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: In Deutschland leben über 42 Millionen Teilzeitvegetarier. (2013) http://www.vebu.de/aktuelles/pressemitteilungen/977-aktuelle-forsa-umfrage-zeigt-in-deutschland-leben-ueber-42-millionen-teilzeitvegetarier (eingesehen am 30.08.2013)

Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Flexitarier — die flexiblen Vegetarier. DGEinfo (10/2013) S146–148.