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Presseinformation

Ernährungssituation armutsgefährdeter Haushalte mit Kindern – neue Daten im 15. DGE-Ernährungsbericht

In Deutschland sind knapp 15 % der Bevölkerung – über 12 Mio. Menschen – armutsgefährdet. Besonders häufig trifft dies auf Alleinerziehende und kinderreiche Familien zu. Inwiefern ein erhöhtes Armutsrisiko den Ernährungs- und Gesundheitszustand von Familien beeinflusst, wurde bisher kaum erforscht.

Die jetzt im 15. DGE-Ernährungsbericht veröffentlichte MEGA_kids- Studie1 bietet einen einmaligen Einblick in die Ernährungs- und Gesundheitssituation armutsgefährdeter Familien.

Die Universität Hohenheim und die Charité Universitätsmedizin Berlin führten dazu eine Querschnittsstudie durch. Darin kombinierten sie eine quantitative Befragung von Haushalten mit Kindern mit zwei vertiefenden qualitativen Befragungen Erwachsener.

Ernährungsarmut ist weit verbreitet

„Die Ergebnisse der MEGA_kids-Studie1 zeigen, dass fast ein Viertel (22,4 %) der knapp 500 befragten Haushalte im Monat vor der Befragung von Ernährungsarmut in Form von moderater oder starker Ernährungsunsicherheit betroffen waren“, sagt Dr. Anja Simmet, Universität Hohenheim. „Das bedeutet, betroffene Haushalte empfanden sich aufgrund von Geldmangel in ihrem Zugang zu Lebensmitteln deutlich eingeschränkt. Zum Beispiel sorgten sie sich, dass ihnen das Essen ausgeht und sie konnten nur zwischen wenigen verschiedenen Lebensmitteln wählen“, ergänzt Simmet. Teilweise verzichten sie wegen Geldmangels auch auf einzelne Mahlzeiten. Häufig fühlen sich die Betroffenen zudem sozial ausgegrenzt. Knapp 70 % der befragten Elternteile litten unter sozialer Ernährungsunsicherheit. „Soziale Ernährungsunsicherheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sie sich zum Beispiel für ihre Ernährungssituation schämen und diese versuchen vor anderen zu verstecken“, erklärt Prof. Dr. Nanette Ströbele-Benschop, Universität Hohenheim. Zudem nutzten mehr als 80 % der teilnehmenden Haushalte in den 30 Tagen vor der Datenerhebung das Angebot einer Tafel.

Etwa 46 % der teilnehmenden Eltern lebte zu Studienbeginn kürzer als ein Jahr in Deutschland. Der Großteil (88,0 %) der haushaltsführenden Elternteile, die weniger als ein Jahr in Deutschland lebten, wurden in der Ukraine geboren. Damit sind die Studienergebnisse nicht uneingeschränkt auf die armutsgefährdete Bevölkerung in Deutschland übertragbar.

Auch ungünstiges Essverhalten ist weit verbreitet

Sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene verzehrten im Mittel mehr Fleisch und Wurstwaren sowie mehr nährstoffarme und energiedichte Lebensmittel wie z. B. süße und fettreiche Snacks als empfohlen. Im Gegensatz dazu verzehrten die Teilnehmenden weniger Obst, Gemüse, Fisch und Getreideprodukte als empfohlen. Erwachsene aßen beispielsweise durchschnittlich nur zwei anstelle der fünf empfohlenen Portionen Obst und Gemüse pro Tag.

Ernährungs- und Gesundheitszustand sind eng verbunden

Insgesamt schätzten 43,4 % der haushaltsführenden Elternteile ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig bis sehr schlecht ein: Über die Hälfte der Elternteile (51,9 %) litt nach eigenen Angaben unter mindestens einer chronischen Erkrankung. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit für Ernährungsunsicherheit deutlich höher, wenn ein Elternteil mit Haushaltsverantwortung von einer psychischen Erkrankung berichtete.

Ernährungsarmut geht mit Zukunftsängsten und psychischen Belastungen einher

Hohe Lebensmittelpreise beschreiben die Teilnehmenden der qualitativen Erhebungen als eine der wichtigsten Herausforderungen für eine gesundheitsfördernde Ernährung. „Ein geringes Haushaltsbudget schränkt ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie das Pflegen sozialer Kontakte ein“, erklärt Dr. Michael Teut, Charité Universitätsmedizin Berlin. Probleme mit Arbeitstätigkeit und hohe Bürokratie kommen erschwerend dazu. Finanzielle und gesundheitliche Einschränkungen führen bei vielen der befragten Haushalte zu Zukunftsängsten und psychischer Belastung.

Strategien zur Verbesserung der Ernährungssituation

Strategien der Haushalte, ihre Ernährungssituation zu verbessern, beinhalten den Einkauf vergünstigter Lebensmittel, Verzicht in anderen Lebensbereichen sowie Abstriche bei der Lebensmittelqualität, -menge und -vielfalt. Eine Unterstützung durch das soziale Umfeld, kostenfreie Lebensmittel und Mahlzeiten sowie Lebensmittelspenden können die Situation verbessern. Die Befragten wünschen sich vor allem verringerte Preise für gesündere Lebensmittel sowie weniger Sichtbarkeit von Süßwaren und Fast Food in Medien, Supermärkten und an Schulen.

Die Autor*innen der Studie fordern für mehr Ernährungssicherheit eine Kombination aus verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen sowie ein systematisches Monitoring. Neben der Ernährungs- und Gesundheitspolitik seien auch andere Politikbereiche wie die Wohnungspolitik in der Pflicht, stets die potenziellen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und -situation armutsgefährdeter Haushalte zu berücksichtigen.


1Multidisziplinäre Erhebung der Ernährungs- und Gesundheitssituation von Personen in armutsgefährdeten Haushalten mit Kindern